Montag, 30. April 2007

Brehms Tierleben: Orang-Utan


















Der Orang-Utan (Simia satyrus) (Heute: Pongo pygmaeuslist seit alter Zeit bekannt. Schon Plinius gibt an, daß es auf den indischen Bergen Satyrn gäbe, "sehr bösartige Thiere mit einem Menschengesicht, welche bald aufrecht, bald auf allen Vieren gingen und wegen ihrer Schnelligkeit nur gefangen werden könnten, wenn sie alt oder krank seien". Seine Erzählung erbt sich fort von Jahrhundert zu Jahrhundert und empfängt von jedem neuen Bearbeiter Zusätze. Man vergißt fast, daß man noch von Thieren redet; aus den Affen werden beinahe wilde Menschen. Uebertreibungen jeder Art verwirren die ersten Angaben und entstellen die Wahrheit. Bontius, ein Arzt, welcher um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts auf Java lebte, spricht wieder einmal aus eigener Anschauung. Er sagt, daß er den Waldmenschen einigemal gesehen habe, und zwar ebensowohl Männer als Weiber. Sie gingen öfters aufrecht und geberdeten sich ganz wie andere Menschen. Bewunderungswürdig wäre ein Weibchen gewesen. Es habe sich geschämt, wenn es unbekannte Menschen betrachtet hätten, und nicht nur das Gesicht, sondern auch seine Blöße mit den Händen bedeckt; es habe geseufzt, Thränen vergossen und alle menschlichen Handlungen so ausgeübt, daß ihm nur die Sprache gefehlt habe, um wie ein Mensch zu sein. Die Javaner behaupten, daß die Affen wohl reden könnten, wenn sie nur wollten, es jedoch nicht thäten weil sie fürchteten, arbeiten zu müssen. Daß die Waldmenschen aus der Vermischung von Affen und indianischen Weibern entständen, sei ganz sicher. Schouten bereichert diese Erzählung durch einige Entführungsgeschichten, in denen Waldmenschen der angreifende, malaiische Mädchen aber der leidende Theil sind. Es versteht sich fast von selbst, daß die Orang-Utans nach allen diesen Erzählungen aufrecht auf den Hinterfüßen gehen, obwohl hinzugefügt wird, "daß sie auch auf allen vier Beinen laufen könnten". Eigentlich sind die Reisebeschreiber an den Uebertreibungen, welche sie auftischen, unschuldig; denn sie geben bloß die Erzählungen der Eingeborenen wieder. Diese wußten sich natürlich die Theilnahme der Europäer für unsere Affen zu Nutze zu machen, weil sie ihnen solche verkaufen wollten und deshalb ihre Waare nach Kräften priesen, - nicht mehr und nicht minder, als es Thierschausteller bei uns zu Lande heutigen Tages auch noch thun.

Dank den trefflichen Forschungen Wallace's sind wir über das Freileben des Orang-Utan genauer unterrichtet als über das jedes anderen Menschenaffen. Der genannte Reisende hatte die beste Gelegenheit, das Thier kennen zu lernen und die Berichte der Eingeborenen mit seinen eigenen Beobachtungen zu vergleichen. Zur Ehre seiner Vorgänger, von denen mehrere namentlich Owen, Kessel und Brooke bemüht waren, ihre Schilderungen von Fabeln und Irrthümern zu reinigen, muß ich sagen, daß unser Gewährsmann, obgleich er nur eigene Beobachtungen wiedergibt, die Angaben jener in allem wesentlichen bestätigt.

"Man weiß", sagt er, "daß der Orang-Utan Sumatra und Borneo bewohnt, und hat guten Grund zu glauben, daß er auf diese beiden großen Inseln beschränkt ist. Jedoch scheint er auf der ersteren viel seltener zu sein als auf der letzteren. Hier hat er eine weite Verbreitung. Er bewohnt ausgedehnte Gegenden der Südwest-, Südost-, Nordost- und Nordwestküsten, hält sich aber ausschließlich in niedrig gelegenen und sumpfigen Wäldern auf. In Sadong findet man ihn bloß in flachen, wasserreichen, mit hohem Urwalde bedeckten Gegenden. Ueber die Sümpfe erheben sich viele vereinzelt stehende Berge, welche zum Theil von Dajaks bewohnt werden und mit Fruchtbäumen bebaut worden sind. Sie bilden für den Meias einen Anziehungspunkt; denn er besucht sie ihrer Früchte halber, obwohl er sich des Nachts stets in den Sumpfwald zurückzieht. In allen Gegenden, wo der Boden sich etwas erhebt und trocken ist, wohnt der OrangUtan nicht. So kommt er beispielsweise in den tieferen Thälern des Sadonggebietes häufig vor, fehlt dagegen jenseits der Grenze, innerhalb welcher Ebbe und Flut bemerkbar sind. Der untere Theil des Saravakthales nun ist sumpfig, jedoch nicht überall mit hohem Walde bedeckt, sondern meist von der Ripapalme bestanden, und nahe der Stadt Saravak wird das Land trocken und hügelig und ist in Besitz genommen von kleinen Strecken Urwald mit Dschungeln. Eine große Fläche ununterbrochenen und gleichmäßig hohen Urwaldes ist für das Wohlbefinden unseres Affen Bedingung.

Es ist ein seltsamer und fesselnder Anblick, einen Meias gemächlich seinen Weg durch den Wald nehmen zu sehen. Er geht umsichtig einen der größeren Aeste entlang in halb aufrechter Stellung, zu welcher ihn die bedeutende Länge seiner Arme und die verhältnismäßige Kürze seiner Beine nöthigen, und zwar bewegt er sich wie seine Verwandten, indem er auf den Knöcheln, nicht wie wir auf den Sohlen geht. Stets scheint er solche Bäume zu wählen, deren Aeste mit denen des nächst stehenden verflochten sind, streckt, wenn er nahe ist, seine langen Arme aus, faßt die betreffenden Zweige mit beiden Händen, scheint ihre Stärke zu prüfen und schwingt sich dann bedächtig hinüber auf den nächsten Ast, auf welchem er wie vorher weiter geht. Nie hüpft oder springt er, niemals scheint er auch nur zu eilen, und doch kommt er fast ebenso schnell fort, wie Jemand unter ihm durch den Wald laufen kann." - An einer anderen Stelle meint Wallace, daß er im Laufe einer Stunde bequem eine Entfernung von fünf bis sechs englischen Meilen zurücklegen könne. "Die langen mächtigen Arme sind für ihn von größtem Nutzen; sie befähigen ihn, mit Leichtigkeit die höchsten Bäume zu erklimmen, Früchte und junge Blätter von dünnen Zweigen, welche sein Gewicht nicht aushalten würden, zu pflücken und Blätter und Aeste zu sammeln, um sich ein Nest zu bauen." Ein von unserem Forscher verwundeter Orang-Utan zeigte seinem Verfolger, in welcher Weise der Bau solches Nestes geschieht. "Sobald ich geschossen hatte", erzählt Wallace, "kletterte der Meias höher im Wipfel des Baumes hinauf und hatte bald die höchsten Spitzen desselben erreicht. Hier begann er sofort rings herum Zweige abzubrechen und sie Kreuz und Quer zu legen. Der Ort war trefflich gewählt. Außerordentlich schnell griff er mit seinem einzigen noch unverwundeten Arme nach jeder Richtung hin, brach mit der größten Leichtigkeit starke Aeste ab und legte sie rückwärts quer übereinander, so daß er in wenigen Minuten eine geschlossene Masse von Laubwerk gebildet hatte, welche ihn meinen Blicken gänzlich entzog. Ein ähnliches Nest benutzt der Meias auch fast jede Nacht zum Schlafen; doch wird dieses meist niedriger auf einem kleinen Baume angebracht, in der Regel nicht höher als acht bis fünfzehn Meter über dem Boden, wahrscheinlich weil es hier weniger den Winden ausgesetzt ist als oben. Der Meias soll sich in jeder Nacht ein neues machen; ich halte dies jedoch deshalb kaum für wahrscheinlich, weil man die Ueberreste häufiger finden würde, wenn das der Fall wäre. Die Dajaks sagen, daß sich der Affe, wenn es sehr naß ist, mit Pandanblättern oder sehr großen Farnen bedeckt. Das hat vielleicht zu dem Glauben verleitet, daß er sich eine Hütte in den Bäumen erbaue.

Aeußerst selten steigt der Orang-Utan auf die Erde herab, wahrscheinlich nur dann, wenn er, vom Hunger getrieben, saftige Schößlinge am Ufer sucht oder wenn er bei sehr trockenem Wetter nach Wasser geht, von welchem er für gewöhnlich genug in den Höhlungen der Blätter findet. Nur einmal sah ich zwei halberwachsene Orangs auf der Erde in einem trockenen Loche am Fuße der Sienunjonhügel. Sie spielten zusammen, standen aufrecht und faßten sich gegenseitig an den Armen an. Niemals geht dieser Affe aufrecht, es sei denn, daß er sich mit den Händen an höheren Zweigen festhalte, oder aber, daß er angegriffen werde. Abbildungen, welche ihn darstellen, wie er mit einem Stocke geht, sind gänzlich aus der Luft gegriffen.

Vor dem Menschen scheint sich der Meias nicht sehr zu fürchten. Diejenigen, welche ich beobachtete, glotzten häufig einige Minuten lang auf mich herab und entfernten sich dann nur langsam bis zu einem benachbarten Baume.

Die Dajaks sagen, daß der Meias niemals von Thieren im Walde angefallen wird, mit zwei seltenen Ausnahmen. Alle Dajakshäuptlinge, welche ihr ganzes Leben an Orten zugebracht haben, wo das Thier häufig vorkommt, versicherten: Kein Thier ist stark genug, um den Meias zu verletzen, und das einzige Geschöpf, mit dem er überhaupt kämpft, ist das Krokodil. Wenn er kein Obst im Dschungel findet, geht er an die Flußufer, um hier junge Schößlinge und Früchte, welche dicht am Wasser wachsen, zu fressen. Dann versucht es das Krokodil, ihn zu packen; der Meias aber springt auf dasselbe, schlägt es mit Händen und Füßen, zerfleischt und tödtet es. Der Mann fügte hinzu, daß er einmal solchem Kampfe zugeschaut habe, und versicherte, daß der Meias stets Sieger bleibe. Ein anderer Häuptling sagte mir Folgendes: Der Meias hat keine Feinde, denn kein Thier wagt es, ihn anzugreifen, bis auf das Krokodil und die Tigerschlange. Er tödtet aber das Krokodil stets durch seine gewaltige Kraft, indem er sich auf dasselbe stellt, seine Kiefern aufreißt und ihm die Kehle aufschlitzt. Greift eine Tigerschlange den Meias an, so packt er sie mit seinen Händen, beißt sie und tödtet sie bald. Der Meias ist sehr stark: kein Thier im Dschungel ist so kräftig wie er.

Ausnahmsweise geschieht es wohl auch, daß ein Orang-Utan mit Menschen kämpft. Eines Tages kamen einige Dajaks zu mir, um mir zu erzählen, daß ein Meias am gestrigen Tage einen ihrer Genossen beinahe getödtet habe. Einige Meilen den Fluß hinab steht das Haus eines Dajak, und die Bewohner sahen einen großen Orang-Utan, welcher sich an den Schößlingen einer Palme am Ufer gütlich that. Aufgeschreckt zog er sich in das Dschungel zurück, und eine Anzahl mit Speeren und Beilen bewaffneter Männer liefen hin, um ihm den Weg abzuschneiden. Der vorderste Mann versuchte seinen Speer durch den Körper des Thieres zu rennen; der Meias aber ergriff seinen Gegner mit den Händen, packte in demselben Augenblicke den Arm mit dem Maule und wühlte sich mit den Zähnen in die Muskeln über dem Elnbogen ein, sie entsetzlich zerreißend und zerfetzend. Wären die Anderen nicht zur Stelle gewesen, er würde den Mann noch weit ernstlicher verletzt, wenn nicht getödtet haben. Die Gefährten aber machten das muthige Thier bald mit ihren Speeren und Beilen nieder. Der Verwundete blieb lange Zeit krank und erlangte den Gebrauch seines Armes niemals vollständig wieder." Von der Wahrheit dieser Erzählung konnte sich Wallace selbst überzeugen, weil er am nächsten Tage den Kampfplatz besuchte und dem getödteten Orang-Utan den Kopf abschnitt, um diesen seinen Sammlungen einzuverleiben.

Gelegentlich einer seiner Jagden erlangte unser Forscher auch einen jungen Orang-Utan. Von Dajaks herbeigerufen, sah er einen großen Meias sehr hoch auf einem Baume sitzen und erlegte ihn mit drei Schüssen. Während die Leute ihn zurüsteten, um ihn nach Hause zu tragen, bemerkte man noch ein Junges, welches mit seinem Kopfe im Sumpfe lag. "Dieses kleine Geschöpf", berichtet Wallace, "war nur einen Fuß lang und hatte augenscheinlich am Halse der Mutter gehangen, als sie vom Baume herabfiel. Glücklicherweise schien es nicht verwundet zu sein, und nachdem der Mund vom Schlamme gesäubert worden war, fing es an zu schreien und schien kräftig und lebhaft. Als ich es nach Hause trug, gerieth es mit seinen Händen in meinen Bart und faßte so fest hinein, daß ich große Mühe hatte, frei zu kommen; denn die Finger sind gewöhnlich am letzten Gelenke hakenartig nach innen gebogen. Es hatte noch keinen einzigen Zahn; doch kamen einige Tage darauf die beiden unteren Vorderzähne zum Vorscheine. Unglücklicherweise konnte ich keine Milch schaffen, da weder Malaien noch Chinesen noch Dajaks dieses Nahrungsmittel verwenden, und vergeblich bemühte ich mich um ein weibliches Thier, welches mein Kleines säugen könnte. Ich sah mich daher genöthigt, ihm Reiswasser aus der Saugflasche zu geben. Dies aber war doch eine zu magere Kost, und das kleine Geschöpf gedieh auch nicht gut dabei, obgleich ich gelegentlich Zucker und Kokosnußmilch hinzufügte, um die Atzung nahrhafter zu machen. Wenn ich meinen Finger in seinen Mund steckte, saugte es mit großer Kraft, zog seine Bakken mit aller Macht ein und strengte sich vergeblich an, etwas Milch herauszuziehen, und erst nachdem es das eine Zeitlang getrieben hatte, stand es mismuthig davon ab und fing ganz wie ein Kind unter ähnlichen Umständen zu schreien an. Liebkoste und wartete man es, so war es ruhig und zufrieden; sowie man es aber ablegte, schrie es stets, namentlich in den ersten paar Nächten, welche es unter großer Unruhe verbrachte. Ich machte einen kleinen Kasten als Wiege zurecht und reichte ihm eine weiche Matte, welche täglich gewechselt und gereinigt wurde, fand es jedoch sehr bald nöthig, auch den kleinen Meias zu waschen. Diese Behandlung gefiel ihm, nachdem er sie einige Male durchgemacht hatte, in so hohem Grade, daß er zu schreien begann, sobald er schmutzig war, und nicht eher aufhörte, als bis ich ihn herausnahm und nach dem Brunnen trug. Obwohl er beim ersten kalten Wasserstrahl etwas strampelte und sehr komische Grimassen schnitt, beruhigte er sich dann doch sofort, wenn das Wasser über seinen Kopf lief. Das Abwaschen und Trockenreiben liebte er außerordentlich, und vollkommen glücklich schien er zu sein, wenn ich sein Haar bürstete. Dann lag er ganz still und streckte Arme und Beine von sich, während ich das lange Haar auf Rücken und Armen strählte. In den ersten paar Tagen klammerte er sich mit allen Vieren verzweifelt an alles, was er packen konnte, und ich mußte meinen Bart sorgfältig vor ihm in Acht nehmen, da seine Finger das Haar hartnäckiger als irgend etwas festhielten, und ich mich ohne Hülfe unmöglich von ihm befreien konnte. Wenn er aber ruhig war, wirtschaftete er mit den Händen in der Luft umher und versuchte irgend etwas zu ergreifen. Gelang es ihm, einen Stock oder einen Lappen mit zwei Händen oder mit diesen und einem Fuße zu fassen, so schien er ganz glücklich zu sein. In Ermangelung eines anderen ergriff er oft seine eigenen Füße, und nach einiger Zeit kreuzte er fast beständig seine Arme und packte mit jeder Hand das lange Haar unter der entgegengesetzten Schulter. Bald aber ließ seine Kraft nach, und ich mußte auf Mittel sinnen, ihn zu üben und seine Glieder zu stärken. Zu diesem Zwecke verfertigte ich ihm eine kurze Leiter mit drei oder vier Sprossen und hing ihn eine Viertelstunde lang an dieselbe. Zuerst schien ihm dies zu gefallen; er konnte jedoch nicht mit Händen und Füßen in eine bequeme Lage kommen und ließ, nachdem er jene verschiedene Male geändert hatte, eine Hand nach der anderen los, bis er zuletzt auf den Boden herabfiel. Manchmal, wenn er nur an zwei Händen hing, ließ er eine los und kreuzte sie nach der gegenüberliegenden Schulter, um hier sein eigenes Haar zu packen, und da ihm dieses meist angenehmer als der Stock zu sein schien, ließ er auch die andere los, fiel herab, kreuzte beide Arme und lag zufrieden auf dem Rücken. Da ich sah, daß er Haar so gern hatte, bemühte ich mich, ihm eine künstliche Mutter herzustellen, indem ich ein Stück Büffelhaut in einen Bündel zusammenschnürte und niedrig über dem Boden aufhing. Zuerst schien ihm dasselbe ausgezeichnet zu gefallen, weil er mit seinen Beinen nach Belieben umherzappeln konnte und immer etwas Haar zum Festhalten fand. Meine Hoffnung, die kleine Waise glücklich gemacht zu haben, schien erfüllt. Bald aber erinnerte er sich seiner verlorenen Mutter und versuchte zu saugen. Dazwischen zog er sich so viel als möglich in die Höhe und suchte nun überall nach der Saugwarze, bekam aber nur den Mund voll Haare und Wolle, wurde verdrießlich, schrie heftig und ließ nach zwei oder drei vergeblichen Versuchen gänzlich von seinem Vorhaben ab.

Als ich meinen jungen Meias ungefähr drei Wochen besaß, bekam ich glücklicherweise einen jungen Makaken, welcher klein aber sehr lebhaft war und allein fressen konnte. Ich setzte ihn zu dem Meias, und sie wurden sogleich die besten Freunde. Keiner fürchtete sich im geringsten vor dem anderen. Der kleinere Makak setzte sich ohne die mindeste Rücksicht auf den Leib, ja selbst auf das Gesicht des Meias, und während ich diesen fütterte, pflegte jener dabei zu sitzen und alles aufzunaschen, was daneben fiel, gelegentlich auch mit seinen Händen den Löffel aufzufangen. War ich mit der Atzung fertig geworden, so leckte er das, was an den Lippen des Meias saß, begierig ab und riß diesem schließlich das Maul auf, um zu sehen, ob noch etwas darin sei. Den Leib seines Gefährten betrachtete er wie ein bequemes Kissen, indem er sich oft darauf niederlegte, und der hülflose Meias ertrug allen Uebermuth seines Gefährten mit der beispiellosesten Geduld; denn er schien zu froh zu sein, überhaupt etwas Warmes in seiner Nähe oder einen Gegenstand zur Verfügung zu haben, um den er zärtlich seine Arme schlingen konnte. Nur wenn sein Gefährte weggehen wollte, hielt er ihn so lange, als er konnte, an der beweglichen Haut des Rückens oder Kopfes oder auch wohl am Schwanze fest, und der Makak vermochte nur nach vielen kräftigen Sprüngen sich los zu machen. Merkwürdig war das verschiedene Gebaren dieser zwei Thiere, welche im Alter nicht weit auseinander sein konnten. Der Meias benahm sich ganz wie ein kleines Kind, lag hülflos auf dem Rücken, rollte sich langsam hin und her, streckte alle Viere in die Luft, in der Hoffnung, irgend etwas zu erhaschen, war aber noch kaum im Stande, seine Finger nach einem bestimmten Gegenstande hinzubringen, öffnete, wenn er unzufrieden war, seinen fast zahnlosen Mund und druckte seine Wünsche durch ein sehr kindliches Schreien aus; der junge Makak dagegen war in beständiger Bewegung, lief und sprang umher, wann und wo es ihm Vergnügen machte, untersuchte alles, ergriff mit der größten Sicherheit die kleinsten Dinge, erhielt sich mühelos auf dem Rande des Kastens im Gleichgewichte, kletterte an einem Pfahle hinauf und setzte sich in den Besitz von allem Eßbaren, welches ihm in den Weg kam. Man konnte keinen größeren Gegensatz sich denken: der Meias erschien neben dem Makaken noch mehr denn als ein kleines Kind.

Nachdem ich meinen Gefangenen ungefähr einen Monat besessen hatte, zeigte sich, daß er wohl allein laufen lernen würde. Wenn man ihn auf die Erde legte, stieß er sich mit den Beinen weiter oder überstürzte sich und kam so schwerfällig vorwärts. Wenn er im Kasten lag, pflegte er sich am Rande gerade aufzurichten, und es gelang ihm auch ein- oder zweimal bei dieser Gelegenheit, sich herauszuhelfen. War er schmutzig oder hungrig, oder fühlte er sich sonst vernachlässigt, so begann er heftig zu schreien, bis man ihn wartete. Wenn Niemand im Hause war, oder wenn man auf sein Schreien nicht kam, wurde er nach einiger Zeit von selbst ruhig. Sowie er aber dann einen Tritt hörte, fing er wiederum so ärger an.

Nach fünf Wochen kamen seine beiden oberen Vorderzähne zum Vorscheine. In der letzten Zeit war er nicht im geringsten gewachsen, sondern an Größe und Gewicht derselbe geblieben wie anfangs. Das kam zweifellos von dem Mangel an Milch oder anderer ebenso nahrhafter Kost her. Reiswasser, Reis und Zwieback waren doch nur dürftige Ersatzmittel, und die ausgepreßte Milch der Kokosnuß, welche ich ihm manchmal gab, vertrug sich nicht mit seinem Magen. Dieser Nahrung hatte ich auch eine Erkrankung an Durchfall zuzuschreiben, unter welcher das arme kleine Geschöpf sehr litt; doch gelang es mir, ihn durch eine geringe Gabe Ricinusöl wieder herzustellen. Eine oder zwei Wochen später wurde er wieder krank und diesmal ernstlicher. Die Erscheinungen waren genau die des Wechselfiebers, auch von Anschwellungen der Füße und des Kopfes begleitet. Er verlor alle Eßlust und starb, nachdem er in einer Woche bis zu einem Jammerbilde abgezehrt war. Der Verlust meines kleinen Lieblings, den ich fast drei Monate besessen und groß zu ziehen gehofft hatte, that mir außerordentlich leid. Monatelang hatte er mir durch sein trolliges Gebaren und seine unnachahmlichen Grimassen das größte Vergnügen bereitet."